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Welt-Alzheimer-Tag: Neues Verfahren zur Identifizierung von erfolgreichen Wirkstoffkandidaten : Datum:

Mit der zunehmenden Alterung der Weltbevölkerung steigt die Häufigkeit von Altersdemenz und der Alzheimer-Krankheit. Dr. Camin Dean vom Forschungsvorhaben DementiaDrugScreen entwickelt ein Hochdurchsatz-Screening-System, mit dem Ziel potentielle Medikamentenkandidaten zur Behandlung der Krankheit nachzuweisen.

Kennzeichnend für die Alzheimer-Krankheit ist der langsam fortschreitende Verlust von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Im Gehirn von Alzheimer-Kranken sind typische Eiweißablagerungen festzustellen. © amazing studio/Adobe Stock

Die Häufigkeit von Altersdemenz und der Alzheimer-Krankheit steigt mit der zunehmenden Alterung der Weltbevölkerung. Wie hat sich die Forschung in diesem Bereich in den letzten Jahren entwickelt?

Die Entwicklung von Medikamenten hat sich in den letzten dreißig Jahren auf die Bekämpfung der Aβ-Ablagerung (Ablagerungen des Eiweißes β-Amyloid im extrazellulären Raum des Gehirns) konzentriert. Die Aβ-Ablagerung ist wahrscheinlich die Ursache für 1-3% der Alzheimer-Fälle. Diese Fälle treten früh auf und sind auf bestimmte vererbte Genmutationen zurückzuführen. Zwei kürzlich zugelassene Medikamente reduzieren Aβ und können den kognitiven Verfall verlangsamen. Allerdings sind diese Medikamente kostspielig und haben erhebliche Nebenwirkungen. Außerdem kann in 97-99 % der Fälle eine Demenz mit oder ohne Aβ-Ansammlung auftreten. Deshalb ist es notwendig, dass auch andere Therapieansätze verfolgt werden. Unser Ansatz stützt sich auf Hinweise, dass die Alzheimer-Krankheit durch eine Schwächung der Synapsen (Verbindungen zwischen Gehirnzellen) verursacht wird, was zu Neurodegeneration und Gedächtnisverlust führt.

Frau Dr. Dean, in Ihrem Projekt DementiaDrugScreen entwickeln Sie ein Hochdurchsatz-Screening-System zur Identifizierung von Therapeutika zur Behandlung von Demenz. Wie funktioniert dieses Screening-System?

Unser Ziel ist es, die Gedächtnissignatur zu finden. Dabei handelt es sich um Gene, die während einer Verstärkung von Synapsen durch elektrische Stimulation in Mausgehirnschnitten aktiviert werden – und zwar im Hippocampus, der Gehirnregion, die für das Gedächtnis wesentlich ist und als erste und am stärksten von der Alzheimer-Krankheit betroffen ist. Gleichzeitig entwickeln wir Neuronennetzwerke aus menschlichen Hautzellen, die ihre Synapsen als Reaktion auf Stimulation verstärken können. Ein fluoreszierendes Reportersystem, das auf der Gedächtnissignatur basiert, wird dann eingesetzt, um nach Medikamenten zu suchen, die die Signatur in menschlichen Neuronen aktivieren und somit Synapsen zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit stärken können.

Warum bietet diese Methode eine bessere Übertragbarkeit von Ergebnissen als bisherige Tiermodelle?

Mäuse werden häufig als Forschungsmodelle für die Erforschung von Medikamenten verwendet. Wir haben allerdings das Problem, dass Mäuse nicht an Alzheimer erkranken. Alzheimer-Modellmäuse wurden durch das Hinzufügen menschlicher Genmutationen erzeugt, die in den 1% der vererbbaren Alzheimer-Fälle auftreten. Die an diesen Mausmodellen getesteten Behandlungen zeigen häufig keine Wirkung auf den kognitiven Abbau beim Menschen. Das liegt möglicherweise daran, dass im Menschen andere Gene betroffen sind als in Mäusen. Bei unserer Methode werden menschliche Neuronen und nicht Mäuse eingesetzt, um Wirkstoffe zu finden, die die Synapsen stärken. In Zukunft könnten wir diese Methode nutzen, um neuronale Netzwerke von Patientinnen und Patienten mit durch eine Hautprobe oder Blutabnahme gewonnenen Zellen nachzubilden und zu untersuchen, um eine frühzeitige Diagnose zu stellen und individuelle Therapiestrategien zu finden.

Wie ist der aktuelle Projektstand und welche nächsten Schritte sind geplant?

Wir haben die Rahmenbedingungen für den Nachweis der Gedächtnissignatur weiterentwickelt. Da wir allerdings an dem robustesten Aktivierungsmuster aller Gene in allen Gehirnzelltypen, und nicht nur an einem bestimmten Gen, interessiert sind, sind weitere Versuche notwendig. Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist uns mit der Entwicklung menschlicher neuronaler Netzwerke gelungen, die aktive Synapsen bilden. Dank unserer Kolleginnen und Kollegen aus derm Berliner Institut für Gesundheitsforschung und der Charité konnten wir diesen wichtigen Schritt in die Wege leiten. Allerdings bedarf es noch einiger Optimierungen, damit die Synapsen so weit ausreifen, dass sie durch Stimulation verstärkt werden können. Wir haben vor kurzem einen Wirkstoff gefunden, der die Bildung reifer Synapsen in diesen Kulturen fördern kann, so dass wir hoffen, bald potentielle Wirkstoffkandidaten in unserem menschlichen Testsystem untersuchen zu können.