Tag der Zahngesundheit: Parodontitis - Risikofaktor für Herzerkrankungen und Diabetes : Datum:
Das Mainzer-Universitätsteam vom Projekt PerioX entwickelt multifunktionale Biomaterialen, um parodontale Infektionen zu behandeln. Wie genau die Therapie funktioniert und warum sie im Vergleich zu bisherigen Behandlungen effektiver wirkt, darüber berichtet Dr. Dr. Lena Katharina Müller-Heupt, Projektleiterin und Zahnärztin an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Frau Dr. Dr. Lena Katharina Müller-Heupt hat Humanmedizin und Zahnmedizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz studiert und ist an der Poliklinik für Parodontologie an der Universitätsmedizin Mainz tätig. Nach Auslandsaufenthalten in Westafrika, Oman und Sri Lanka hat sie 2019 ein Startup gegründet. Mit ihrem Startup hat sie eine innovative Pflanzenextraktkombination als Mundspülung für die häusliche Mundhygiene entwickelt, das im Vergleich zu bisherigen Mundspülungen das Mikrobiom weniger angreift. Seit einigen Jahren forscht sie an Biomaterialien, die zur Therapie der Parodontitis eingesetzt werden und leitet das GO-Bio-Projekt PerioX.
Weltweit leiden 743 Millionen Menschen an Parodontitis. Dabei handelt es sich um eine „stille“ Infektionskrankheit, die weitere Auswirkungen auf Herz und Kreislauf hat. Wird diese Krankheit Ihrer Meinung nach unterschätzt?
Die Bedeutung der Mundgesundheit wird – zurecht – in der medizinischen Gemeinschaft und der Zahnmedizin immer stärker betont. Es gibt zahlreiche Studien, die eine Verbindung zwischen Parodontitis und anderen Gesundheitsproblemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und rheumatischen Erkrankungen nahelegen. Und das aus einem bestimmten Grund: Die Bakterien, die Parodontitis verursachen und ebenso die vielen Entzündungsmoleküle, die durch die Erkrankung im Mund entstehen, können in den Blutkreislauf gelangen und zu systemischen Entzündungen im Körper beitragen. Chronische Entzündungen gehen mit einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen einher, weshalb es uns Zahnärzten ein Anliegen ist, dieses Wissen um die Bedeutung der Zahngesundheit auch breit in die Bevölkerung zu tragen.
Frau Dr. Dr. Müller-Heupt, in Ihrem Projekt PerioX entwickeln Sie multifunktionale Biomaterialien, die als Alternative zum Einsatz von Antibiotika bei Parodontitis eingesetzt werden. Können Sie uns mehr zur Therapie berichten?
Die Entstehung einer Parodontitis wird von Keimen begünstigt, die sich besonders gut in den Biofilmen der Zahnfleischtaschen vermehren. Daher ist es am besten, wenn Zahnfleischtaschen von vornherein vermieden werden. Falls sie jedoch bereits entstanden sind, verbessert eine begleitende Antibiotikagabe die Ergebnisse der Reinigung der Zahnfleischtaschen. Aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Gesundheit der Betroffenen und der Auswirkungen einer systemischen Antibiotikabehandlung wird die routinemäßige Gabe als Zusatz zur Reinigung der Zahnfleischtaschen aber ausdrücklich nicht empfohlen und bleibt speziellen Hochrisikofällen vorbehalten. Infolgedessen arbeiten wir an der Entwicklung von Biomaterialien, die das Wachstum der Bakterien hemmen, aber bedenkenlos bei allen Patientinnen und Patienten mit Parodontitis eingesetzt werden können, um alternative und effektive Behandlungsmöglichkeiten zu schaffen.
Was unterscheidet die Therapie mit multifunktionalen Biomaterialien von den bisherigen Therapien?
Bisherige Therapieansätze können entweder die Bakterien angreifen, die mit der Parodontitis assoziiert sind oder sie helfen dem zerstörten Gewebe, sich besser zu regenerieren, beispielsweise den Zahnfleischtaschen, die wie derum der optimale Lebensort für die Parodontitisbakterien sind. Wir entwickeln Biomaterialien, die beides gleichzeitig können und das Milieu in der Zahnfleischtasche so verändern, dass sich Bakterien dort nicht mehr ansiedeln können, das Zahnfleisch und der Knochen aber eben diese Lücke wieder gut verschließen kann. Denn das ist der wichtigste Punkt, damit langfristig keine neue Besiedelung mit Bakterien stattfindet.
Wie ist der aktuelle Projektstand und welche nächsten Schritte sind geplant?
Derzeit optimieren wir unser Biomaterial und führen im Rahmen der GO-Bio Machbarkeitsphase weitere in-vitro Tests durch, einschließlich Biokompatibilitätstests nach EN ISO 10993. Dabei nutzen wir das sogenannte „EpiOral Modell“, das ohne Tierversuche in einem 3D Modell mit echten Zellen die Schleimhautirritation misst. Zusätzlich testen wir unser Material an komplexen Biofilmen, die aus Speichelproben von Patienten gewonnen werden. Nach Abschluss der letzten Optimierungen streben wir eine klinische Prüfung als nächsten Schritt an.