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Neue Wege zur besseren Diagnostik von nierentransplantierten Patientinnen und Patienten : Datum:

Wie kann die Nachsorge von nierentransplantierten Patientinnen und Patienten ohne Komplikationen und gefährlichen Nebenwirkungen erfolgen? Dr. Constantin Thieme und seine Kolleginnen und Kollegen vom Forschungsvorhaben TreaT-Assay widmen sich dieser Frage.

Die Ursache von Komplikationen bei Transplantationen kann derzeit nur durch eine Biopsie sicher bestimmt werden. © Adobe Stock/gpointstudio

Für Dr. Constantin Thieme ist die Freiheit, sich mit neuen Fragestellungen zu beschäftigen und projektbasiert zu arbeiten, einer der inspirierenden Aspekte seiner Arbeit als Wissenschaftler. Herausforderungen, die bei der medizinischen Behandlung von Patientinnen und Patienten auftreten, kann er selbst untersuchen, anstatt darauf zu hoffen, dass jemand anderes sich dieser Probleme annimmt. Darüber hinaus schätzt er die Synergieeffekte: „Ich kann als Wissenschaftler nicht nur mein eigenes Wissen erweitern, sondern auch zur kollektiven Wissensbasis beitragen und potenziell das Leben vieler Menschen verbessern.“ Die Möglichkeit, einen direkten Einfluss auf die medizinische Praxis zu haben und durch seine Arbeit dazu beizutragen, dass die Gesundheitsversorgung immer effektiver und präziser wird, treibt ihn täglich an.

TreaT-Assay

Im Forschungsvorhaben „TreaT-Assay“ möchte Thieme gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen die Diagnostik bei nierentransplantierten Patientinnen und Patienten revolutionieren. Denn das Immunsystem reagiert nach der Transplantation auf das neue Organ und erkennt es als fremd. Deswegen brauchen die Patientinnen und Patienten Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, was allerdings unerwünschte und gefährliche Wirkungen hat. Zudem erfordert die individuelle und sich über die Zeit verändernde Immunantwort ständige Wachsamkeit: „Wir müssten jeweils angepasst höhere Dosen geben, um das Organ zu schützen, oder geringere Dosen, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Wir haben aber zurzeit leider keinen Laborwert, der diese Immunreaktion einfach bestimmen kann. Deswegen können wir die Medikation nicht an die jeweilige Situation anpassen und so auch nicht personalisiert therapieren“, betont Dr. Thieme.

Die von ihm und seinem Team angestrebte Methode könnte eine solche Messung ohne Krankenhausaufnahme ermöglichen und eine Verbesserung in dreifacher Hinsicht erreichen: „Erstens könnten wir mit unserem Test relativ schnell und unkompliziert ermitteln, ob eine Abstoßungsreaktion vorliegt oder nicht. Die Angst vor Abstoßungsreaktionen ist bei Transplantierten sehr groß, da es unter Umständen den Organverlust bedeuten könnte. Zweitens könnten wir Abstoßungen früher als bisher erkennen, was den angerichteten Schaden minimieren und so die Langzeit-Überlebenschancen des Transplantats verbessern könnte. Und drittens können wir feststellen, ob Patientinnen und Patienten weniger Medikamente benötigen“, fast Dr. Thieme zusammen. Tatsächlich sterben sehr viele Transplantierte mittlerweile nicht am Organversagen selbst, sondern an den langfristigen Medikamentennebenwirkungen. Eine Verbesserung der Diagnostik hätte somit einen großen Einfluss auf das Leben der Betroffenen.

Herausforderungen bewältigen

Die größte Herausforderung in dieser Studie sei die Rekrutierung der Patientinnen und Patienten: „Durch den Organmangel werden nicht viele Transplantationen durchgeführt, und von diesen haben aufgrund der heute verfügbaren Medikamente zum Glück nicht alle eine Abstoßungsepisode. Es ist also nicht so leicht, auf die für eine aussagekräftige Studie notwendige Anzahl an Proben zu kommen“, erläutert Dr. Thieme. Diese benötigen sie aber, wenn ihr Testverfahren eine Chance haben soll, in der Klinik angewendet zu werden. Als weitere Herausforderung sieht er die Hürden, eine Erstattung durch die Krankenversicherung zu erhalten. Diese sind sehr hoch, was zum einen der Sicherheit und Kostenkontrolle dient, zum anderen aber auch Innovationen verhindert, betont Dr. Thieme.

Dr. Thieme ist dankbar für die Möglichkeiten, die die Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung dem Projekt, aber auch ihm persönlich bietet: „Wir haben genügend Mittel und Zeit, unsere Idee weiterzuentwickeln und zu testen. Damit können wir auch selbst lernen, ob das Verfahren so funktioniert wie wir es uns erhoffen, und mit den Erkenntnissen hoffentlich auch weitere Mittelgebende überzeugen, uns weiter zu fördern.“ Außerdem biete GO-Bio initial viel Vorbereitungszeit für eine spätere Ausgründung, sodass bei der Realisierung der Idee Fehler vermieden werden, die das ganze Vorhaben gefährden könnten. „Mit all den Informationen wird es sehr viel leichter sein, sich für einen Weg zu entscheiden“, erklärt Dr. Thieme.


Gründung eines Start-Ups und Verbesserungswünsche

Und auch die nächsten Schritte sind bereits geplant. Nach Beendigung und Auswertung der Studie werden sie evaluieren, ob ihr Verfahren ihren eigenen hohen Ansprüchen entspricht: „Dann werden wir uns voraussichtlich auf weitere öffentliche Förderungen bewerben, mit denen wir das Verfahren weiterentwickeln könnten“, so Dr. Thieme. Danach würde der große Schritt erfolgen: Die Gründung eines Start-Ups. Bevor der Test im Klinikalltag angewendet werden kann, müssen aber noch umfangreiche Studien zur Validierung und Qualitätssicherung laufen.

Dr. Thieme zufolge ließe sich die Versorgung von Patientinnen und Patienten an zwei Punkten signifikant verbessern: „Ich habe im Rahmen dieses Projektes gelernt, wie aufwändig es ist, ein neues diagnostisches Verfahren in die Klinik zu bringen. Die Trennung in ambulante und stationäre Sektoren mit völlig unterschiedlichen Verfahren und Akteuren macht alles sehr kompliziert. Und für ein relativ kleines Feld wie die Transplantationsmedizin kommt man schnell an die Grenze, wo es sich für ein wirtschaftliches Unternehmen nicht mehr lohnt, diesen Aufwand zu betreiben“, hebt Dr. Thieme hervor. Dabei würde eine Verbesserung der Diagnostik durch Innovation und eine personalisierte Medizin in vielen Bereichen die Qualität der Behandlung und auch die Therapie(folge-)kosten signifikant senken. Das Hauptproblem liege aber vor allem in der langen Wartezeit: „Während Patientinnen und Patienten in Spanien nur einige Monate auf ein neues Organ warten, sind es in Deutschland acht bis zehn Jahre! Während dieser langen Zeit verschlechtert sich kontinuierlich der Gesundheitszustand und viele versterben auf der Warteliste.“ Es gebe viele Stellschrauben, mit denen sich das ändern und somit das Leben vieler Menschen sehr stark verbessern ließe, resümiert Dr. Thieme.

Go-Bio initial

Mit der Fördermaßnahme GO-Bio initial fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Identifizierung und Entwicklung früher lebenswissenschaftlicher Forschungsansätze mit erkennbaren Innovationspotential. Im Rahmen der Projektdurchführung soll ein Reifegrad der Forschungsresultate erzielt werden, der eine Weiterführung in anderen etablierten Programmen der Validierungs-, Gründungs- und Firmenkooperationsförderung erlaubt.